Zum Inhalte springen

Aus: Kopano Matlwa: Du musst verrückt sein, wenn Du trotzdem glücklich bist

(btb 2019) S. 19-25

 

Als ich anfing zu bluten, da dachte ich, Ma würde mich umbringen. Ich war kein artiges Kind gewesen, hatte meine Hände überall, wo ich nicht sollte, befingerte Stellen an meinem Körper, die ich gar nicht anfassen durfte. Deswegen heulte ich auch nicht los, wie andere kleine Mädchen es wohl getan hätten, als ich während der Rand Easter Show einen zähen bräunlichen Matsch in meiner Tinkerbell-Unterhose entdeckte. Nein, ich wusste sofort, dass es Gottes Strafe für mich war, und ließ das Beweisstück verschwinden. Tagelang versteckte ich es. Ich sammelte packenweise Toilettenpapier und wickelte es fest um den Schritt meiner Woolworths-Schlüpfer. Das war unbequem und kratzig, aber nichts gegen die Unannehmlichkeiten, die mir bevorstehen würden, wenn ich Ma beichtete, dass ich gesündigt hatte und deswegen jetzt blutete. Das würde garantiert mein Ende sein. Und als ich mich dann eines Sonntagmorgens vor unserem Aufbruch in die Kirche auf die Zehenspitzen stellte, mich weit, weit hochreckte, um das Garagentor zuzuziehen, und dabei unter meinem Schottenkarokleid ein dunkles Geheimnis enthüllte, das bis dahin zwischen meinen Beinen verborgen geblieben war, worauf Ma mich, als ich wieder ins Auto stieg, fragte, was das denn für Flecken auf meiner Glitzerstrumpfhose seien, da war ich mir ganz sicher, dass der Anfang meines Endes gekommen war.

Und in mancher Hinsicht stimmte das auch, denn wie in eilfertiger Reaktion auf Mas Frage öffnete sich in mir ein Schleusentor, und das Blut strömte zwischen meinen Schenkeln hervor, die Beine hinunter bis auf meine Gummisandalen, und hörte wochenlang nicht mehr auf, ließ nur manchmal ein paar Tage leicht nach, um sich dann sogar noch heftiger zu ergießen, vorbei an allen Pfropfen, die ihm den Weg versperrten.

Später erfuhr ich in der Sonntagsschule, dass es keineswegs eine göttliche Strafe war, wenn einem periodisch literweise Sekret aus der Scheide floss, sondern vielmehr eine physiologische Notwendigkeit und ein gesunder Teil des Lebens einer Frau, den man nicht nur begrüßen, sondern feiern musste.

Trotzdem betete ich weiter unerbittlich dafür, jener Gott, der das Rote Meer geteilt und es für Sein geliebtes Volk hatte austrocknen lassen, möge auch mir eine Trockenzeit in der Unterhose bescheren.

***

Ich weiß noch, wie ich Ma erklärte, ich wolle mir das Ding rausnehmen lassen, es einfach wegschneiden und dann in der großen Kammer im Krankenhaus hinter dem Hügel verbrennen.

Sie meinte, ich sei verrückt.

„Dieses Ding ist verrückt!“, brüllte ich.

„Es ist nicht verrückt, Masechaba, nur nicht ganz auf dem Damm.“

„Und ich bin seinetwegen nicht auf dem Damm, Ma.“

Ma meinte, ich redete Blödsinn, das seien nun mal Dinge, die man als Frau ertragen müsse, und wenn ich es herausnehmen ließe, würde ich das eines Tages bereuen, weil ich dann kein neues Leben mehr zur Welt bringen könne.

Leben?

Was kümmerte es mich, ob ich neues Leben zur Welt bringen konnte, wo ich selbst doch kein Leben hatte? Wo ich ständig dieser Bestie in meinem Becken ausgeliefert blieb, die sich in jedem beliebigen Moment den Schädel einschlagen und dessen Inhalt wütend auf den Boden ergießen konnte, ganz grundlos, wann immer es ihr gerade passte?

Was für ein Leben hatte ich denn? Kümmerte das Ma etwa gar nicht?

Nein, anscheinend nicht.

***

Ich wurde zur Einzelgängerin. Nicht, weil ich unbedingt allein sein wollte, sondern weil es so für alle einfacher war. Tshiamo war mein einziger Freund. Ihn schienen die Flecken nicht so sehr zu stören wie die meisten anderen. So wie das eine Mal, als Papa ihm ein Auto gekauft hatte und er mich zu einer Spritztour einlud. Ich war so froh, Tshiamo froh zu sehen, dass ich gar nicht daran dachte, ins Haus zu laufen, meinen Tampon zu wechseln und eine zweite Schicht Binden einzulegen. Erst als wir auf der Schnellstraße waren, so blöd von uns, um halb fünf am Nachmittag auf die Schnellstraße zu fahren, und ich den Verkehr sah, dachte ich: Mist. Ich versuchte, nicht darüber nachzudenken, selbst, als ich es klebrig zwischen den Beinen spürte und wusste, dass der Tampon vollgesogen und die Binde durchgeweicht war und der einzige Weg hinaus durch meine Jeans und direkt auf Tshiamos nagelneuen Autositz führen würde. Mit aller Kraft versuchte ich, mich auf die Tracey-Chapman-Songs zu konzentrieren, die Tshiamo mitsang. Als wir endlich wieder zu Hause waren, tat er, als fiele ihm gar nichts auf, aber ich wusste, dass er es gemerkt hatte, denn später sah ich ihn von meinem Zimmerfenster aus mit einem Eimer Seifenlauge und einem Schwamm in der Hand.

***

In der Schule saß ich immer in der letzten Reihe und sorgte dafür, dass niemand mehr hinter mir war, damit ich es zumindest nicht als Allerletzte mitbekam, wenn ich mein Schulkleid vollschmierte.

Ich war klug und wissbegierig im Unterricht und hatte eigentlich kein Interesse daran, mich mit den Störenfrieden abzugeben, die die hinteren Plätze für sich beanspruchten. Aber ich wusste auch, dass ich mich mindestens so krass aufführen musste wie die Besten unter ihnen, wenn ich meinen Platz in größtmöglicher Entfernung von den misstrauischen Blicken der besonders grausamen Mädchen verteidigen wollte.

***

Mit der Zeit eignet man sich ein paar Tricks an. Dunkle Klamotten, Skiunterwäsche unter dem Schulkleid, eine dicke, billige No-Name-Binde unter der Always Ultra, die den unvermeidlichen Überschuss auffängt. Immer einen Tampon im BH, damit man sich, wenn man im Gedränge schnell aufs Klo muss, nicht erst lange bücken und in der Schultasche wühlen muss. Ballett? Kannst du vergessen. Synchronschwimmen? Geht gar nicht! Gymnastik? Für kein Geld der Welt. Korbball? Riskant. Laufen? Manchmal.

Keine Partys. Nie bei Freundinnen übernachten. Ma wollte sich die Demütigung ersparen, von anderen Eltern angerufen zu werden und mitgeteilt zu bekommen, ihre Tochter habe das Bettlaken und die halbe Matratze vollgeblutet. Sie tat immer, als machte es ihr nichts aus, aber ich wusste, dass das aggressive Verhalten des jugendlichen Uterus ihrer Tochter sie genauso verblüffte und peinlich berührte wie jeden anderen auch.

Manchmal sagte sie etwas Richtung: „Du isst einfach zu viel Käse! Darum blutest du so sehr!“ Oder auch: „Diese Tampons, die du immer verwendest, sind doch unnatürlich. Da kann der Dreck gar nicht ungehindert abfließen.“

Es machte mich wütend, wenn sie so etwas sagte, denn sie wusste so gut wie ich, dass diese alten Ammenmärchen Blödsinn waren. Keine noch so große Menge Käse konnte meine dysfunktionelle uterine Blutung erklären, auch nicht den Schwindel, der damit einherging, die Ohnmachtsanfälle und den galoppierenden Herzschlag, der kaum noch etwas zum Galoppieren fand. Sie wusste, wäre es einfach nur darum gegangen, den sogenannten Dreck ungehindert abfließen zu lassen, dann wäre ich ganz ohne Binde und Toilettenpapier herumspaziert, sogar ohne Tanga oder High-Cuts, einfach nur nackt vor aller Augen, solange es bloß den Wahnsinn stoppte, der da aus mir kam.

***

Ich war ständig benommen, fiel ständig in Ohnmacht, mein Herz raste ständig auf Hochtouren in meiner Brust. Ich ging im Krankenhaus ein und aus, Transfusionen über Transfusionen, Pillen über Pillen, Pflaster über Pflaster, Spritzen über Spritzen.

***

Schließlich ließ das Bluten nach, versiegte sogar fast völlig, bis auf leichte Schmierblutungen im ein oder anderen Monat. Ich kann mich weder daran erinnern, wie es dazu kam, noch daran, wann genau das war. Möglich, dass die Endometriumablation schließlich doch geholfen hat. Ich war noch zu jung, um es ganz zu begreifen, aber ich erinnere mich, wie Ma Tante Petunia erzählte, die Ärzte hätten gesagt, jenseits einer Hysterektomie bestehe nur eine gewisse Chance, wenn man die Gebärmutterschleimhaut wegbrenne.

„Sollen sie sie wegbrennen, Ma!“, rief ich, das weiß ich noch.

Sie schrie mich an, ich solle gefälligst still sein. Aber ich glaube, nachdem ich bei Dineos traditioneller Hochzeitsfeier ohnmächtig in Rakgadi Tebogos Swimmingpool gefallen war, interessierte selbst Ma sich nicht mehr so sehr für das Leben, das ich möglicherweise nicht mehr zur Welt bringen konnte, und machte sich mehr Sorgen um das Leben, das sie selbst in die Welt gesetzt hatte.